„Fast genial“ – auf der Suche nach der eigenen Identität im Staatstheater Mainz

Gar nicht so genial: Vater Doblinski
Foto und Copyright: Andreas Etter

Eine lange Anreise durch Dunkelheit und Stau führte die Schülerinnen und Schüler der Klassen 9A1 und 9A2 mit ihren Deutschlehrerinnen Katharina Maiwald und Kerstin Petsch am Mittwoch, dem 29.10.25 zum Staatstheater Mainz. Dort besuchten sie das Theaterstück „Fast genial“, eine Inszenierung des gleichnamigen Romans von Benedikt Wells, der zuvor im Rahmen des Deutschunterrichts gelesen wurde.

Dem Protagonisten Francis wurde vom Leben schon in jungen Jahren übel mitgespielt. Sein Stiefvater und jüngerer Halbbruder verlassen die Familie, zurück bleibt er mit seiner psychisch kranken Mutter, um die er sich fortan kümmern muss. Es folgt der soziale Abstieg: Statt des Einfamilienhäuschens wird ein Wohnwagen im Trailerpark zum neuen Zuhause; Geldnot, schlechte Noten und Klinikaufenthalte der Mutter bestimmen nun den Alltag, aus dem Francis keinen Ausweg sieht.
Doch dies ändert sich, als er von seinem leiblichen Vater erfährt: Francis ist ein Retortenkind der „Samenbank der Genies“, sein genetischer Vater soll ein genialer Wissenschaftler und Harvard-Absolvent sein. Ihn nur einmal zu sehen, das würde sein Leben von Grund auf verändern, glaubt Francis. Die Suche nach seinem Vater führt Francis, seinen Freund Grover und seine große Liebe Anne-May quer durch die USA bis nach Mexiko, wo er endlich seinen Vater findet, einen heruntergekommenen Kleinkriminellen und Betrüger.

Francis, leider nur „fast genial“, ist enttäuscht und frustriert, Anne-May von ihm schwanger und seine letzte Hoffnung auf ein besseres Leben ist ein Millionengewinn in Las Vegas, von dem er immer geträumt hat: Er setzt seine gesamten Ersparnisse beim Roulette und gewinnt und gewinnt und gewinnt, bis er eine halbe Million Dollar hat. Doch er braucht die Million, das Bühnenbild verdunkelt sich, rien ne va plus, das letzte Wort hat die Kugel: Klick. 

Die Mainzer Inszenierung kommt ohne großes Bühnenbild aus, setzt auf Einfallsreichtum, Humor und einen modernen Soundtrack, der dem Stück Schwung und Leichtigkeit verleiht. „Besser als das Buch“ war eine der ersten Reaktionen der Schüler, während andere erstmal ihre eigenen Vorstellungen der Geschichte mit der Darbietung in Einklang bringen mussten - nicht ganz leicht, war der Theaterbesuch für viele doch der erste ihres Lebens.

Die Unterschiedlichkeit einer Theaterproduktion und eines Textes wird ebenso Gegenstand der nächsten Deutschstunden sein wie die vertiefende Diskussion der Themen des Romans: die Bedeutung von Identität, Familie und Herkunft, die Entwicklung von Persönlichkeit, die ethische Problematik des wissenschaftlich Machbaren und die Frage nach einem gelingenden Leben.

K. Petsch


Die Schülerinnen und Schüler der 9A1 und 9A2 vor dem Staatstheater Mainz